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The Mental Part is the Hardest Part
Beitrag wurde erstellt am Montag, 5. Februar 2018
Autor: Mario Schuster | Coaching
Basketball ist ein Sport voller Emotionen. Die Sportpsychologie kann helfen sein mentales Potenzial für die Wettkämpfe zu optimieren. Mein Name ist Mario SCHUSTER (34) und ich bin Sportpsychologe von Beruf. Doch was habe ich mit Basketball gemeinsam? Ganz schön viel! Der Basketballsport war für mich im Alter von 12 Jahren das Tor in die Welt des Sports. Zwar hatte ich davor ein paar Jahre Fußball gespielt, doch ich erkannte, dass mir Basketball mehr Spaß und Freude bereitet. Meine Teamkollegen wurden folgend auch zu meinen neuen besten Freunden. Obwohl ich meine sportliche Laufbahn verletzungsbedingt früh beenden musste, bereicherte meine aktive Zeit als Basketballspieler mein Leben in besonderem Ausmaß und hat mich möglicherweise zu dem gemacht, wer ich heute bin.
Über Umwege zur Sportpsychologie
Zugeben, während meiner Zeit im TGM (HTL in Wien) hätte ich nie gedacht diesen Berufsweg einzuschlagen. Ich sah mich schon in einem Industriegebäude Motoren und Getriebe entwerfen. Doch nach dem Bundesheer und einer halbjährigen Reise durch Australien (im Alter von nur 20 Jahren), entschied ich mich meine Ingenieurskarriere sausen zu lassen und stattdessen Sportwissenschaften zu studieren. Ich wollte mehr über den menschlichen Körper lernen und mit Menschen und Gruppen statt Maschinen und Prozessplänen arbeiten.
Mir war von Anfang an klar, dass ich nicht ausschließlich Sportwissenschaften studieren möchte, sondern mich auch so richtig spezialisieren wollte. Zunächst studierte ich ergänzend ein Semester Ernährungswissenschaften, merkte aber rasch, dass mich dies nicht so sehr befriedigt. Zu dieser Zeit habe ich auch darüber nachgedacht mich als Basketballtrainer zu professionalisieren, doch letztendlich fiel meine Wahl auf die Sportpsychologie.
Gelegentlich werde ich gefragt, wieso ich Mentaltrainer geworden bin. Meine Antwort auf die Frage lautet: Weil es schon viele gute Head Coaches und Athletiktrainer gibt und ich im mentalen Bereich das größte Potenzial sehe, wie ich SpielerInnen, TrainerInnen und ganze Teams am besten weiterhelfen kann.
Meine Anfänge der Sportpsychologie
Mein großer AHA-Moment mit einer weitreichenden Entscheidung, fand dann in einer Sportpsychologie-Vorlesung im Sportstudium in Wien auf der Schmelz statt. Die Vorlesung war im Frühjahr 2006 und wurde vom renommierten Sportpsychologen Günter AMESBERGER gehalten.
Im Hörsaal bat er einen Freiwilligen sich an ein Biofeedback-Gerät anschließen zu lassen und projizierte die Körpersignale per Beamer auf die Leinwand. Der Sportpsychologe führte mit dem Studenten ein autogenes Training LIVE durch und ich staunte nicht schlecht, wie die Wärmekurve seiner Körpertemperatur an der Leinwand per Sprachbefehl nach oben schnellte.
An diesem Tag war meine Faszination für die Macht des menschlichen Geistes geboren und ich entschied noch am selben Tag neben dem Sportwissenschafts-Studium auch noch Psychologie zu studieren. Ein großes Vorhaben dieses Doppelstudium, doch mein Wille dies durchzuziehen legte meinen Fokus auf Erfolg. Die Hürden die in dieser Zeit auftraten stärkten auch meine Persönlichkeit.
Der Weg zum Mentaltrainer bzw. Sportpsychologen
Wege zum Mentaltrainer gibt es viele. Immerhin, Ausbildungen zum Mentalrainer gibt es ja mittlerweile wie Sand am Meer. Doch eine Ausbildung alleine macht noch keinen guten Mentaltrainer aus dir. Neben wirklich sehr professionell und seriös arbeitenden Mentaltrainern und Mentaltrainerinnen, gibt es leider noch mehr Gurus. Auch Scharlatane mit Heils- und Erfolgsversprechen sind keine Seltenheit. Ein Spruch in der Sportpsychologie lautet auch: "Gurus verschwinden genau so schnell wie sie kommen."
Aus diesem Grund hat die österreichische Sportpsychologie zur Qualitätssicherung sehr harte Kriterien um als Mentaltrainer oder Sportpsychologe eine staatlich anerkannte Zertifizierung zu erhalten. Der ganze Zertifizierungsprozess wird in Österreich durch das österreichische Bundesnetzwerk für Sportpsychologie (ÖBS) festgelegt und überwacht. In Deutschland wird selbiges durch den "asp" geleitet.
Nur wer die Kriterien alle erfüllt wird in die ÖBS-Bundesliste (auf welcher ich seit 2015 oben bin) aufgenommen. Zu den wesentlichsten Kriterien (kein Anspruch auf Vollständigkeit) zur Zertifizierung zählen:
- Abgeschlossenes Masterstudium Psychologie und/oder Masterstudium Sportwissenschaften
- Fortbildungsmodulserie "Sportpsychologisches Training im Leistungssport"
- Praxis unter Supervision
- Ethik-Kodex
- Fortlaufende Weiterbildung in der Sportpsychologie
Eine Finanzierung der Sportpsychologie wird für den Spitzensport durch die öffentliche Hand (Fördertöpfe | Sportministerium | Bundessport GmbH) nur noch für Sportpsychologen bzw. Mentaltrainer gegeben, welche die harten Kriterien erfüllen und auf der ÖBS-Bundesliste stehen. Da ich seit dem Jahr 2015 auf der ÖBS-Bundesliste bin, können mich auch sämtliche Fachverbände und Spitzenathleten buchen. Dies ist dann auch kostenlos, vorausgesetzt, dass wir gemeinsam einen Förderantrag stellen und dieser bewilligt wird. Die Finanzierung meiner Leistungen trägt hierbei zu 100% die öffentliche Hand.
Doch was ist Mentaltraining?
Das werde ich sehr häufig gefragt und meine Antwort fällt auch differenziert aus. Weil im ursprünglichen Sinne war Mentaltraining auf klassisches Vorstellungstraining bezogen. Die heutige Auffassung von Mentaltraining in der Praxis ist wesentlich breiter aufgestellt. Beispielhafte Methoden des Mentaltrainings sind:
- Vorstellungstraining
- Konzentrationstraining
- Training der Selbstregulation
- Entspannungs- und Aktivierungsverfahren
- Selbstgesprächsregulation
- Zielsetzungstraining
Das waren selbstverständlich nur ein paar Beispiele. Mehr Beispiele findest du auch in der Sportsektion meiner Website. Darüber hinaus gehen die Aufgabengebiete der Sportpsychologie WEIT über reines Mentaltraining hinaus.
Mentale Stärke als Kernelement des Mentaltrainings
Es ist nach wie vor ein verbreiteter Mythos, dass Psychologen ausschließlich mit psychisch kranken Menschen arbeiten. Klar ist dies eine wesentliche Sparte in der Psychologie aber geht WEIT darüber hinaus.
Ein wesentliches Ziel von Mentaltraining und sportpsychologischer Beratung ist die systematische Entwicklung von mentalen Kompetenzen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, was mentale Stärke überhaupt ist? In Sportübertragungen im TV ist häufig von einer "mental starken" oder "mental schwachen" Leistung zu hören.
Eine "mental schwache Leistung" bedeutet nicht zwingend, dass der/die AthletIn mental schwach sei. Denn das mentale Erleben hängt nicht nur von der Person selbst, sondern auch von den Druckbedingungen ab. So kann es passieren, dass ein mental starker Sportler in einem karriereentscheidenden Moment die Nerven wegwirft.
Ein Beispiel dafür war auch der Weltstar Roberto BAGGIO beim Fußball-WM-Finale 1994. Er galt als genialer Stürmer und Top-Elfmeterschütze. Doch beim wichtigsten Elfmeter seiner Karriere nebelte er beim Elfmeterschießen den Ball klar über das Tor. An dieser Stelle könnte ich noch dutzende Beispiele von mental starken Top-Stars aufzählen, welche auch ihre schwachen Momente haben.
Das Besondere am Mentaltraining ist, dass sich Athleten mit kompetenten Mentaltrainern auch auf solche Momente mental vorbereiten können, welche noch gar nicht passiert sind. So werden bspw. über ein Visualisierungstraining emotionale Momente simuliert und können folgend auch besser verarbeitet werden. Bei einer längeren Begleitung lohnt es sich gemeinsam ein individuelles Mindset zu erarbeiten.
Was ist wichtiger? Der Körper oder der Geist?
Mit Interesse höre ich gelegentlich einer Diskussion zu, in der es darum geht, ob der Kopf oder der Körper im Sport die wichtigere Leistungskomponente ist. Diese Diskussion hätte vielleicht vor 40 Jahren Sinn gemacht. Doch die sportliche Leistungsdichte im Spitzensport ist heute auf einem Niveau, wo es sich keiner mehr leisten kann Potenzial liegen zu lassen. Wie Michael JORDAN schon sagte:
The mental part is the hardest part, and I think that is the part that separates the good players from the great players!
Mentale Stärke alleine macht aus einer Landesligamannschaft keinen Europacupsieger. Andererseits ist auch ein Jakob PÖLTL nicht ausschließlich aufgrund seiner Körpergröße von 2.13 m in der NBA. Seine Spielintelligenz und Selbstdisziplin verschaffen ihm da einen wesentlichen Vorteil um sich gegenüber anderen Riesen in der NBA durchzusetzen.
SpielerInnen, welche zwar basketballtechnisch und körperlich top sind, aber nervenschwach, werden zwar schwache Gegner dominieren können, aber in Top-Ligen wird das nicht mehr reichen. Dort muss alles passen, denn der Gegenspieler entscheidet vielleicht 0.5 Sekunden schneller.
Ziehe ich nun links am Gegner vorbei oder leite ich den Jump Shot ein, sobald der Pass meine Hände berührt? Oder überlege ich noch?
0.5 Sekunden (!!!) klingt nicht viel, doch kann spielentscheidend sein. Dieses Beispiel zeigt, dass neben der mentalen Stärke auch ein "klarer Kopf" ganz wichtig ist. Und dieser klare Kopf ist auch ein Ziel sportpsychologischen Trainings. Neuere Methoden zielen auch darauf ab die "exekutiven Funktionen" des Gehirns zu trainieren. Diese Funktionen sind sportpsychologisch hoch relevant und erfreulicherweise trainierbar.
Eines ist gewiss: Verbände, Vereine, Coaches und AthletInnen, welche die sportpsychologische Entwicklung vernachlässigen, werden international ins Hintertreffen geraten.
Mental-Phänomen
Bildquelle: orf.at (2017)
Doch es gibt auch Beispiele von AthletInnen, welche in echt extremen Drucksituationen die Nerven bewahren. Und dies ist wichtig um handlungsfähig zu bleiben. Denn wer den "Kopf verliert", verliert auch die Kontrolle über die Situation und macht folgend den entscheidenden Fehler.
Ein mentaler Superman ist aus meiner Beobachtung heraus - aus sehr vielen Gründen - der ultimative Schisuperstar Marcel HIRSCHER. Ein motorisches Talent wie er haben viele. Doch bei der Schi-WM 2013 in Schladming, offenbarte er unter dem Druck der Nation (Österreich war bei diesem letzten Rennen noch ohne Gold-Medaille) seine stählernen Nerven.
In Interviews beschrieb er selbst das schlimme Gefühl: Er spürte nicht nur seinen eigenen inneren Druck, sondern auch ganz Schi-Österreich erwartete sich eine Gold-Medaille. Wenn der Druck zu groß wird, dann steigt auch das Risiko für Fehler enorm an. Plötzlich funktioniert nichts mehr, was ansonsten ein Kinderspiel ist. Und im Slalom kann ein klitzekleiner "Einfädler" einen Traum, trotz jahrelanger Vorbereitung, in einem kleinen Moment platzen lassen. Im Starthäuschen wählte er die richtige Strategie: Spaß am Schifahren! Damit konnte er seine Nerven beruhigen, blieb mental handlungsfähig und er holte GOLD für Österreich.
Ich werde in den nächsten Wochen mit Spannung verfolgen, wie er mit dem Druck Olympia-Gold "abholen zu müssen", in Pyeongchang bei den olympischen Winterspielen umgehen wird.
Wem ist Mentaltraining zu empfehlen?
Bildquelle: suntimes.com (2015)
Im Allgemeinen jedem, wer das Beste aus sich herausholen möchte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Methode X nicht für alle passt. Für manche SportlerInnen passt eben Methode Y besser. Deshalb gilt es mehrere Methoden und deren Wirkungen zu erfahren und gemeinsam abzustimmen, welche Methode am besten hilft. Und dies kann auch von Situation zu Situation unterschiedlich laufen, weshalb sich auch eine langjährige Begleitung mehr lohnt, als alle paar Monate den Trainer zu wechseln.
Zumindest sollten sich SportlerInnen und TrainerInnen mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen. Dem war sich auch Basketball-Legende Michael JORDAN bewusst, welcher einst auf einer Pressekonferenz sagte: "The mental part is the hardest part!"